Für die Nutzer: Wenn du nichts dafür bezahlst, bist du das Produkt.

Dieser für das soziale Netz, speziell für Facebook, geprägte Satz hat vielleicht noch nicht sein Ende, aber zumindest seine Halbwertzeit erreicht. Der zuletzt entfachte und plattformübergreifende Konkurrenzkampf weg vom Klickvieh á la heftig.co oder BuzzFeed hin zu Lesern, Zuschauern und Teilnehmern, hat den Plattformen bzgl. Monetraisierung im Netz womöglich die Augen geöffnet. Ansonsten helfe ich gern nach.

Für Unternehmen: Was nichts kostet, ist nichts wert.

Es geht um sieben Beispiele für weniger Werbung und um mehr Möglichkeiten im Sinne von Nutzern, Marken und Publishern.

1. Facebook stirbt, Facebook stirbt!

Reflexartig wird bei solchen Meldungen der Likebutton gedrückt. Doch bei den Themen Algorithmus und datenschutz (bei Facebook klein geschrieben) geht es nicht um Böshaftigkeiten dieser und anderer Plattformen. Eigentliches Ziel ist die Nutzerbindung zur anschließenden Monetarisierung durch Dritte. (Anmerkung: Das nicht jede Online-Freundschaft in vorhersehbare Interessen zu übersetzen ist, kann nur für Datenbankfetischisten überraschend sein.)

Das eigentliche Problem, wenn man mit Blick auf die Höhe der vermuteten Werbeeinnahmen von einem solchen sprechen kann, hat sich das soziale Netzwerk damit selbst eingebrockt. Mit der Erfindung der Fan Pages, den Sponsored Posts und dem Algorithmus hat Facebook Unternehmen ein Tool an die Hand gegeben, um zielgruppengerecht für Produkte, Image und Aufmerksamkeit zu werben.

Und, ach du große Überraschung, die Unternehmen machen davon Gebrauch und – mindestens genauso überraschend – der  gemeine Nutzer findet zu viel Werbung in einem eigentlich privaten Netzwerk doof (auch wenn die Like-Zahlen einzelner Seiten eine andere Sprache sprechen).

Nun soll der Stream nicht nur um bezahlte sponsored Posts gekürzt werden, sondern auch um organisch verbreitete, aber unbezahlte Werbebotschaften. Neben einem womöglich steigenden Tausender-Kontakt-Preis, hat das Netzwerk mit Facebook at Work eine weitere Einnahmemöglichkeit in der Pipeline, welche das soziale Intranet und Kollaborationstool für Unternehmen werden soll. Doch wenn dieses funktionieren soll, spielt sowohl der Datenschutz als auch die Werbeflut eine noch stärkere Rolle.

Die Lösung kann daher nur lauten, das jeweilige Produkt (zum Beispiel nach Unternehmensgröße oder wie bei vielen Apps und SaaS üblich nach Feature Umfang) an diejenigen zu verkaufen, die es gewinnbringend benutzen: Unternehmen.

2. Der Werbung einen Vogel zeigen!

Welches soziale Netzwerk träumt nicht von dem großen Geld durch Werbung? Die Nutzer stellen den Content bereit, die Betreiber die Werbeflächen und Marken das Geld. Doch so leicht ist es eben nicht …

Facebook sowie Google und Youtube haben gezeigt, dass man mehr braucht als den Content und den Anzeigenplatz. Nämlich Flexibilität in Budget und Timing, Weiterentwicklung durch Vereinfachung, Unterstützung bei der Erstellung von Werbung und schließlich powerpointtaugliche Analysedaten.

Für Instagram, das bei geschalteten Videos über Format und Inhalt mitentscheiden will, und Pinterest, die Sponsored Posts bisher nur angekündigt haben, um es zunächst zur Marketingreife bringen, gehört dieser Punkt offensichtlich bereits zur Strategie; und Twitter versucht jetzt mit Analytics, Apps und wieder offeneren Schnittstellen sowie Kommunikationsmöglichkeiten hinterher zu fliegen.

Was die seit kurzem bestehenden 40 Pflichtfollowings (Hashtag: #pf) für Neuankömmlinge beim Kurznachdienst damit zu tun haben, weiß ich auch nicht (Antwort bitte in die Kommentare). Doch abgesehen davon, ist zumindest der Weg zur womöglich bezahlten Freundlichkeit gegenüber bezahlenden Kunden der richtige.

Aber nur, wenn man es sich nicht mit den ‚echten‘ Contenterstellern durch zu viel Werbung und zu wenig Mitbestimmung über den Stream verscherzt. Sonst sagen die schönen Analysedaten, dass die Werbung zwar ausgespielt wurde, aber keine Empfänger mehr da waren.

3. Ich kauf mir was!

Es ist aber auch möglich, dass sich Pinterest, Twitter und neuerdings auch Tumblr in Richtung Provisonsmodell pinnen, zwitschern oder bloggen wollen. Twitter testet bereits Offers, also via Tweet abrufbare Rabatte, und die angekündigten Kaufen-Buttons der angekündigten Netzwerke.

Was für Pinterest aufgrund von Zielgruppen und Inhalten sinnvoll erscheint, kann bei Twitter ein Eigentor werden, da diese Art der Kommerzialisierung der zur Zeit geschätzten hoch Echtzeit-Kommunikation und der Verbreitung bzw. dem Konsum vom relevanten Nachrichten widerspricht.

Ein Buytton (sic!) auf Tumblr, als Fortsetzung des Downloadbuttons für Apps, wiederum könnte funktionieren, würde es doch für handelnde Unternehmen den Bloggingdienst noch interessanter machen, ohne die bestehenden Publisher und Konsumenten von Katzen-, Erklär- und NSFW-Inhalten (dumerkstdassdueinepornokatzebistwenn.tumblr.com) abzuschrecken. Ob das jedoch das passende Umfeld auch für nicht künstlerische, nicht kreative Unternehmen ist, bleibt abzuwarten.

4. Werbefrei und Spaß dabei!

Da hat es Amazon leichter. Nicht nur, dass der Marktplatz mit angeschlossenen Streamingangeboten, den neuen (Youtube, Netflix) und alten (Watchever, Maxdome) Wettbewerbern um Abonnenten in Sachen Reichweite und Grundpreis das Leben schwer macht. Amazon plant ein kostenfreies Streaming-Angebot, das (richtig!) über Werbung finanziert werden soll. Werbung für (wieder richtig!) Produkte, die die eingeloggten User vermeintlich oder auch nachweislich haben wollen und die wirklich nur einen Klick entfernt sind, nämlich auf dem (100 Punkte!) Amazon Marktplatz.

Natürlich klingt es erst Mal gut, wenn Amazon und Google (Contributor und Youtube) oder neue Dienste wie Ello den gemeinen Netzaufenthalt ohne andauernde Kaufaufforderungen oder sogar ohne eine damit verbundene PPE (Persönlichkeitsprofilerstellung) entspannter gestalten wollen. Aber abgesehen davon, dass eine netzuntypische Zweiklassengesellschaft entsteht, ist der Weg hin zu viel Werbung und als Alternative wenig Werbung nicht weit. So hat Sky (fka Premiere) schließlich auch mal angefangen …

Willkommen zur Hyundai Nacht der Gazprom Champions! Werbefrei versteht sich.

5. Sie wollen doch nur deine Seele!

Auf dem Weg von User Generated Content zu User Generated Money war die Foto App EyeAm einst Vorreiter. Fotos konnten und können nicht nur bearbeitet, geteilt, gemocht, kommentiert werden, sondern mit den passenden Schlagwörtern zum Verkauf angeboten werden. Definitiv ein Modell für die Daseinsberechtigung neben Branchenprimus Instagram.

Yahoo, bekanntlich etwas langsamer, will nun mit der Macht der vielen professionellen Fotografen im Flickr Netzwerk aufholen, hat aber vergessen den Nutzern bescheid zu sagen. Fotos, die dort hochgeladen werden, können nämlich mit der passenden Creative Commons Lizenz versehen werden, in denen es unter anderem um die Erlaubnis (oder das Verbot) zur kommerziellen Nutzung und die Weiterbearbeitung geht.

Nun hat sich Yahoo schöne Bilder der Lizenz CC-BY rausgesucht, auf Leinwand gedruckt und für 49$ verkauft. Das Geld wird brüderlich geteilt, im Sinne davon, dass der große Bruder (in dem Fall Yahoo) alles bekommt. Nun gibt es neben zufriedenen auch traurige und bockige Geschwister, weshalb Yahoo einen Schritt zurück geht und zukünftig die Urheber beteiligen wird. Yahoo will sich ja nicht mit den Nutzern, sondern mit Netzwerken wie 500px und Bildagenturen anlegen.

So oder so ist die mögliche Übertragbarkeit auf Sounds, Videos und Texte, die für die Vermarktung genutzt und schließlich finanziell belohnt werden, ein spannender Punkt. Das neue Netzwerk Tsu.co bezahlt seine Nutzer sogar für Postings und Sharings je nach Reichweite. Eine Idee, die wiederum so neu nicht ist, sondern eher eine Weiterentwicklung des Prinzips PayPerTweet bedeutet.

Ohne eine funktionierende Lizensierung, müssen speziell bei diesem Punkt die Themen Kennzeichnungspflicht und Urheberrecht relativ neu diskutiert werden, was aber für den Bereich Social Media auch längst überfällig ist.

6. Die alten Medien sind alt und riechen schon streng!

Die taz lockt auf ihrer Website Mitglieder und Spender, BILDplus läuft wohl ziemlich erfolgreich im Sinne von einträglich. Und das auch SpiegelOnline, ZEIT, FAZ und SZ in der Lage sind, das (soziale) Netz zumindest zu bespielen, steht außer Frage.

In der Süddeutschen wird gerade eine Taskforce aus Online und Print gebildet, um mit Hilfe eines Metered Models dem Paid Content auf die Spur zu kommen. Gemunkelt wird von kleinen und großen Abos für eine bestimmte Anzahl von bestimmt großartig recherchierten und geschriebenen Artikeln … zzzzzzzzzzzzz … sorry, ich bin kurz eingeschlafen.

11Freunde zeigen in ihren Auftritten und vor allem in der App, was man trotz kleinem Team an Inhalten, Meinungen und damit Mehrwerten produzieren oder zumindest aggregieren kann. Doch welcher klassische Publisher nutzt die technischen Möglichkeiten der integrieten Filme und Animationen, der internen und externen Verlinkung, Möglichkeiten auch Inhalte der Nutzer ansprechend zu integrieren? (Und ich meine mehr als ein Tatort Storify).

‚Nee, dann doch lieber eine Klickstrecke.‘, hört man es in der Chefredaktion murmeln.

Aber es kann doch eigentlich nicht sein, dass wir uns solche Medien immer noch selbst zusammen stellen müssen! Komm schon, Freitag, du hast mal so gut angefangen … Oder müssen wir auf Medium oder sogar LinkedIn hoffen?

7. Yo, ein Newsletter!

Totgesagt und hochgejubelt, als Marketing Tool altbacken und hochmodern. Der Newsletter hat es aber auch nicht leicht. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: direkte Ansprache nach Interessen, im E-Mail-Client der Wahl jederzeit auffindbar und (Mist, schon wieder Datenschutz) in Sachen Lesedauer, Öffnungsraten, Weiterempfehlung, Einkaufsverhalten messbar.

Doch mit dem Internet kam der Spam, mit dem Spam die Fake Adressen, mit den Fake Adressen der Verkauf echter Adressen, mit dem Verkauf noch mehr Spam. Die schöne Idee der digitalen Postwurfsendung hat also mit denselben Problemen zu kämpfen wie ein Briefkasten mit Aufkleber ‚Bitte keine Werbung‘.  Aber wer könnte – zumindesten die digitalen Probleme – lösen? Vielleicht die Teenie Idole unter den Netzwerken, die Dark Social Traffic Treiber aka Direct Messenger.

WeChat, SnapChat, WahtsApp (neuerdings Wire) und Yo sind nicht nur überaus beliebte Tools für den direkten und persönlichen Austausch unter den Nutzern. Es entsteht auch ein neuer Markt, der zumindest theoretisch die Ziele und Wünsche sowohl von Nutzern (Datenschutz, Privatsphäre, passender Content) als auch von Marken (direkte Ansprache, Rückkanal, Messbarkeit) vereinen könnte.

Nachdem Yo zusätzlich zum versenden eines Yo auch Links, Orte und Medien mit einem Yo (und weiterhin ohne eigenen Text) verschicken konnte, entstanden die ersten Beispiele.

Anders als beim Facebook Messenger oder bei WhatsApp ist das Anlegen eines Unternehmensprofils oder meherer Unternehmensprofile erlaubt. Die amerikanische Basketballliga bietet für unterschiedliche Informationen (Vereine, Spiele, Verkäufe) und Frequenzen (Echtzeit, Zwischenergebnisse, Endresultate) unterschiedlich Streams zum Anfreunden bzw. zum Abonnieren an, erstellt Inhalte als Link oder Medium und verschickt diese direkt auf das Smartphone. Natürlich mit der Chance und der Hoffnung, dass diese auch an deren Freunde (potenzielle Abonnenten) weitergeleitet werden.

Die Möglichkeiten gehen aber über die reine Berichterstattung hinaus und können theoretisch auch automatisch verschickt werden: Neue Episoden der Lieblinsgserie im Stream, Rabatte auf einzelne Produkte, neuer Bastian Koch Mashable Post, plötzliche Bahnstreiks oder interaktiv als Frage nach der nächsten Bankfiliale (Nutzer mit Location an Bank: Yo / Bank mit Location an Nutzer: Yo). Da geht noch einiges.

Und die Monetarisierung? Könnte einfach nach dem Mailchimp-Prinzip, also nach der Anzahl der verschickten Nachrichten oder Freunde erfolgen. Das die Macher der Yo App sowohl die Expertise als auch mittelfristig Analysedaten über die Besteller und ihre Aktionen und Interaktionen bereitstellen könnten, ist soweit nicht hergeholt. Und trotz der hohen Personalisierung im bestehenden Kontakt, könnten sowohl Datenschutz und Privatsphäre etwas höher gehangen werden, als bei vielen bestehenden Netzwerken und Plattformen.

Und welches Unternehmen würde zur Verbeitung seiner Inhalte, für Gewinnspiele, Ausschreibungen etc. nicht für einen Plaque Sharing Button mit Auswertungstool bezahlen? Gilt natürlich auch für die 27 anderen Messenger.

Fazit: Es muss nicht immer Werbung sein

Die Monetarisierungsmöglichkeiten für soziale und digitale Plattformen im Überblick, auf die sich die Unternehmen einstellen sollten und sich vielleicht sogar freuen dürfen.

1. Trennung zwischen privaten und unternehmerischen Profilen mit  Features zum Verkauf (auch In-App)
2. Persönliche Kundenbetreuung auch zu Werbezwecken zwecken gegen Geld
3. Provisionsmodelle für den Verkauf über ‚Buyttons‘ in sozialen Netzwerken
4. Abomodelle für private Nutzer zum Beispiel für das Ausblenden von Werbeinhalten
5. Beteiligung der Nutzer (Contentersteller) bei möglichem Verkauf von Inhalten
6. Erstellung von kostenpflichtigen, aber bitte auch wertvollen Inhalten
7. Bezahlung zur Nutzung nach Reichweite oder Anzahl verschickter Botschaften (Mailchimp-Prinzip)

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