Wenn es um Social Media und Content Marketing geht, ist Blogger Relations als Disziplin der Online-PR ein seit Jahren beschworener Trend; und zwar sowohl in Rück- als auch in Ausblicken (trotz vereinzelter, aber wiederkehrender Rückschläge durch Product Placement auf der einen – oder einer beschämenden Ansprache über Massenmails, Kontaktformulare oder Twitter auf der anderen Seite. Doch die Platzierung von Links und Informationen in Blogs, Youtube-Videos und Instagram-Serien ist schon länger nur die Spitze des Eisberges.

Das Bloggen als Einnahmequelle ging vor allem mit der Entwicklung des Google Algorithmus und dem Erfolg des ‚Mitmach-Web‘ erst auf Youtube, dann auf Tumblr und schließlich auf Instagram einher; gekaufte und getauschte Links, um ein paar Plätze im Suchmaschinen-Ranking aufzusteigen oder eben die Ansprache von ‚authentischen‘ Onlinern, die ihre Texte, Fotos und Videos gern mit gratis zur Verfügung gestellten Produkten anreicherten.

Ersteres spielt mittlerweile eine untergeordnete Rolle bzw. kann sogar abgestraft werden, letzteres jedoch ist der Ursprung für den unternehmerischen Umgang mit den sogenannten Digital Natives.

Authentizität kann man nicht kaufen

Das Ziel von Marken und Unternehmen ihre Fans, Follower und Freunde zu Botschaftern und Kommunikatoren zu machen, weil sie ja sowieso in ihren sozialen Netzwerken über Erfahrungen berichten, wurde und wird inflationär voran getrieben. Die Folge ist ein Markt im Markt, in dem Produktneuheiten probeweise, gänzlich oder sogar gegen Bezahlung für eine positive Berichterstattung übermittelt werden (von Blogger-Ausstattungen, Blogger-Events, Blogger-Reisen ganz zu schweigen).

Die scheinbare Professionalisierung und offensichtliche Kommerzialisierung nicht nur von Bloggern wird somit zum Problem. Was ist noch authentisch und was eine gekaufte Meinung? Reputation und Nachhaltigkeit in den jeweiligen Veröffentlichungen sind mögliche Gradmesser, sowohl aus Sicht der Fans, als auch aus Sicht der finanzierenden Auftraggeber.

Denn für den Erfolg dieser Blogger Relations ist wie im klassischen Marketing (sic!) der Media-Mix entscheidend: also die Beschäftigung mit den Sendern, ihrer Philosophie, ihrem Umfeld und der entsprechenden Platzierung eigener Inhalte. Die Recherche und Pflege dazu gehöriger Kontakte ist aufwendig und kostenintensiv.

Um so nachvollziehbarer ist es, dass die sozialen Medien ihren Wissens- und Technologie-Vorsprung gegenüber der Werbeindustrie nutzen, um mögliche Geschäftsmodelle und Marketingansätze auf ihren Plattformen zu etablieren.

Social Media vs. Commercial Media

Foursquare ermöglichte die Belohnung für Checkins oder Mayorships, gab dies aber zugunsten Aufsplittung in eine Yelp-Variante und ein Facebook-Places-Wanna-Be wieder auf.

Youtube widerum partizipiert die User an den Werbeeinahmen, während Yahoo die Nutzer selbst zum Produkt macht und Tumblr-Künstler vermittelt oder Flickr-Bilder direkt verkauft, ein Geschäftsmodell, mit dem ursprünglich auch EyeEm an den Start gegangen ist.

Tsu.co ging sogar soweit, ihre Nutzer für geteilte Links je nach Reichweite zu entlohnen. Von solchen Modellen und Experimenten werden wir in den nächsten Monaten sicher noch einiges lesen.

Die Herausforderung für die Betreiber der Dienste wird jeweils darin bestehen, sowohl die sozialen als auch die kommerziellen Interessen so zu berücksichtigen, dass die aktuellen und zukünftigen Nutzer nicht abgeschreckt werden. Deshalb liegt es nahe, eher den Dienst selbst als immer nur die Nutzer und ihre Daten zu verkaufen.

Das Internet der Möglichkeiten

Unternehmen und Marken sollten selbst und zusammen mit den Netzwerken versuchen, sich die Dynamik und den Erfolg sozialer Medien zu eigen zu machen.

Gemeint sind hier aber nicht Printanzeigen und Fernsehspots mit Youtube-Stars, und auch nicht komplett digital Crowdfunding-Kampagnen, Umfragen, Produktentwicklungen und spontane Reaktionen auf aktuelle Weltgeschehnisse, sondern der Aufbau von Netzwerken im jeweiligen Netz.

Nintendo plant aktuell eine Plattform für Let’s Play Videos, die sich auf Youtube (Google) und Twitch (Amazon) großer Beliebtheit erfreuen. Zwar inkl. finanzieller Entlohnung, aber mit Freigabeschleifen, Vorgaben und Auflagen. Die Youtuber selbst sind nicht amused … Und auch Youtube selbst hätte als proaktiver Vermittler und Dienstleister viel zum Konzept und zur eigenen Evolution beitragen können.

Da hilft nur baiten …

Zumindest der Ansatz von Nintendo ist schon deutlich besser als das was Bertolli und viele andere Marken (bzw. ihre Agenturen) innerhalb der sozialen Netze veranstalten. Nämlich ziemlich platt zu versuchen, über Kommentare, Mentions und sonstige Interaktionen kostengünstig Aufmerksamkeit zu generieren. Auch wenn die Aufregung vieler ‚benutzter‘ User deutlich übertrieben ist, weil sie im Zweifelsfall von solchen Avancen eher profitieren als der Absender.

Während Thomas Knüwer die Problematik und die entsprechenden Learnings für Unternehmen und ihrer Marketing-Abteilungen ziemlich gut zusammen fasst, beleuchtet Daniel Fiene die andere Seite der Medaille und richtet sich an die bloggende Zunft.

Blogger Relations ist ein Kanal, User Relations sind das Ziel

Doch egal, ob man ein bestehendes Netzwerk nutzt oder ein neues Netzwerk aufbauen möchte, es geht darum, den potenziellen Partner, den erfolgreichen, reichweitenstarken User einer oder mehrerer Plattformen in seinen geschäftlichen oder privaten Interessen so ernst zu nehmen, wie sich selbst.

Es geht darum, Ansichten und Philosophien von Bloggern, Facebookern, Instagrammern, WhatsAppern nicht nur zu verstehen, wie Richard Gutjahr hier fordert, sondern respektieren und zu unterstützen. Immerhin ist es genau das, was zu jenem Erfolg geführt hat, der innerhalb der Content Strategie für das eigene Unternehmen genutzt werden soll.

Daraus widerum kann eine echte Beziehung entstehen, die weit über das hinaus geht, was als Blogger Relations leider zu einer hohlen Phrase verkommen ist.

Nachtrag, 07.02.2014: das Wie erfolgreicher, weil nachhaltiger Youtube-Kampagnen hat Christina Hütten für LEAD digital zusammengefasst.

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Monetarisierungsmöglichkeiten für soziale und digitale Plattformen (3. Dezember 2014)