Noch immer und immer mehr gilt Werbung im Internet als nahezu einzig sinnvolle Einnahmequelle für  Newsportale im allerweitesten Sinne und für die Betreiber sozialer Netzwerke. Zwangsläufig wird der Kampf ums Geld zum Kampf um Leser sowie Zuschauer, die zwar mehrere Tabs und Browser offen haben können, aber doch nur auf einer Seite zur selben Zeit zu surfen in der Lage sind. Insgesamt ein ungleicher Kampf zwischen Verlagen, Netzwerken, Nischen-Blogs und Marken.

Es fehlt die Phantasie

Auf die veränderte Mediennutzung durch soziale Netzwerke wie Facebook, Youtube und Twitter haben zuerst digitale Emporkömmlinge wie heftig.co und Buzzfeed reagiert und zum einen sowohl den Clickflow als auch den Duktus auf eine schmerzhafte Spitze getrieben, zum anderen sehr erfolgreiche Ableger in den Netzwerken etabliert, die wiederum nur den Traffic für ihre Portale zum Ziel hatten.

So kann man die (Un-)Sichtbarkeitsstrategie von Facebook und Co. für Marken übrigens nicht nur als Abzocke, sondern auch als notwendige, strategisch richtige und rückblickend betrachtet als erfolgreiche Gegenwehr betrachten. Ein Mittel, das den Medienhäusern fehlte, weshalb viele sich selbst heftigst buzzfeedisierten.

Gut, Focus Online nicht. Die waren schon als gedrucktes Wochenmagazin so.

Natürlich kann eine solche Umstellung auch negativen Einfluss auf die Attraktivität des Werbeumfeldes haben (siehe oben), wenn man sich also aus den Besucherzahlen eine Daseinsberechtigung vortäuschen kann, aber für einen finanziellen Erfolg schon sehr viel Phantasie mitbringen muss.

Auf der anderen Seite schaffte die Banalisierung von Inhalten auf den Portalen klassischer Medien den Bedarf nach seriösen Inhalten, der gern und zurecht von Einzelkämpfern und Nischenredaktionen erfüllt wurde. Flexibler in der Redaktionsplanung müssen sie sich eben nicht Inhabern und Investoren unterwerfen und können mit ihrer Meinung weniger werbefreundlich unterwegs sein. Oder sie lassen sich jeden vermeintlich publikumswirksamen Beitrag bzw. gleich den ganzen Kanal abkaufen.

Für die klassischen Medien wird die Jubelarie der Nullerjahre (wie passend!) über die Freiheit,  dass jeder alles posten und kommentieren kann, damit zum Problem einer schier undefinierbaren und extrem unübersichtlichen Konkurrenzsituation. (Große Medienhäuser haben besipielsweise die Kommentarfunktion abgeschaltet, Spiegel Online zunächst nur in Artikeln mit erhöhtem Wutbürgerpotenzial.)

Sich über Kreativität, Originalität, Qualität zu positionieren, wäre auch zu viel verlangt.

Interessanterweise fallen aktuell und ausgerechnet die öffentlich-rechtlichen TV Anstalten mit ansehnlichen Kanälen und Aktionen auf, was nicht nur für Content-Erprobte Formate wie Neo Magazin Royal und Extra-3 gilt, sondern eben auch für die journalistische Schiene (z.B. Tagesschau). Hier wird verstanden, wie Konsum und Kommunikation im Netz funktionieren kann.

Social Media und die Geister, die es rief

Undefinierbar und immer unübersichtlicher wird es aber auch für die Sozialen Netzwerke. Die Marktanteile in der westlichen Welt sind nahezu ausgeschöpft und das Ziel möglichst viele Menschen mit möglichst vielen Mitmenschen und Marken zu vernetzen, war erfolgreich und hat dazu geführt, dass Streams für Nutzer und Algorhytmen nicht mehr konsumierbar/sortierbar sind.

Doch wenn dadurch aktive Besucher und Besuchszeiten wegbrechen, bedeutet das eben auch einen Verlust von Image, Reputation und schließlich Werbeeinahmen (siehe oben) für alle monetär Beteiligten. Es ist ein Geben und Nehmen.

Asoziale Medien

Die Lösung der Plattformen wiederum war so einfach wie genial (sic!): eine Art 3-Klassen-System.

Im Netz sind alle Menschen gleich, manche sind sogar gleicher.

Unterschieden wird ab sofort zwischen Fußvolk (auch Klickvieh) und Hochadel (Werbepartner) sowie der neuen Bildungselite. Menschen also, die Reichweite bilden können. Im besten Fall mit Qualität, aber das ist jetzt auch nicht sooo wichtig …

Ihr wart in den letzten Wochen online, hier noch mal die Zusammenfassung:

Kurz: Medien im Sinne von Kanälen werden zu Medien im Sinne von Verlagen und es geht wie angekündigt, um Nutzer und ihre Aufmerksamkeitsspanne zur Generierung von Werbeeinahmen (siehe oben). Auch wenn es kuratieren genannt wird. Die benannte Bildungselite bildet sich tatsächlich ein, die Herrschaft über den eigenen Content abzugeben, sei etwas Gutes. Dabei setzen die Netzwerke noch einen drauf und filtern händisch/automatisch, was ihre Nutzer tatsächlich sehen.

So werden Absender, Überbringer und Profiteure in den sozialen Medien eins, was niemals im Sinne von Vielfalt oder einer zu recht beschworenen oder zumindest erwünschten vierten Macht im Staat sein kann.

Insbesondere dann nicht, wenn wir am Ende nur fragen können:

Hast du es gegoogelt oder auf Faccebook gelesen?

So ganz neu ist die Idee des Kuratierens natürlich nicht und in der Grundidee auch nicht verkehrt. Ob Blogger sich untereinander zu Gastautoren machen, sich verlinken und kommentieren, Youtuber gemeinsame Sache machen, einschlägige Portale sich gegenseitig für das Aufspüren lustiger Netzfundstücke loben, Twitterinterviews geführt werden oder Facebook Accounts freundlich übernommen werden … mindestens eine Person profitiert vom Image, mindestens eine von der Reichweite des jeweils anderen.

Nicht zwingend Win-Win

Die digitalisierten Tages- und Wochenzeitungen interpretieren Curations übrigens so:

„Wenn dieses coole, soziale Netz nicht zu uns kommt, muss der Berg eben zum Propheten.“

(Zitat ähnlich)

Mit dem Kolumnisten Sascha Lobo, der Kooperation mit Tape TV, der Medienpartnerschaft mit der Re:publica und dem Mitvergnügen Gif-Interview schlich sich Spiegel Online relativ zeitig in die Social Filterbubble und probiert sich weiter an einer digitalen Daseinsberechtigungen: Blog, Ticker, Tatort-Storify, Klickstrecken, Abstimmungen, Banalitäten.

Ein schmaler Grad, der ab und an zwangsläufig peinlich enden muss. Doch zumindest ist hier so etwas wie Risikobereitschaft und Experementierfreude zu spüren.

Die Internet-Kolumne, launige Kommentare und aktuelle Web-Fundstücke dürfen mittlerweile auf keinem News-Portal fehlen. Was aber nicht dazu führt, dass quantitativ mehr Informationen geteilt werden, sondern dieselbe Information sehr häufig.

Unterscheidbarkeit medialer Inhalte: Fehlanzeige

Dabei geht es doch gerade um Wiedererkennung, aufgebautes Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Mehrwerte durch Information und Unterhaltung egal auf welchem Kanal, natürlich auf Augenhöhe (Bullshit Bingo!) … im Ernst, die Herausforderung liegt sowohl für Medien als auch für Marken darin, sich für einen Kanal – egal ob intern oder extern – zu entscheiden, um Botschaften, Wissen, Produkte an die Nutzer, Interessenten, Käufer zu vermitteln, die aktiv oder passiv das Geschäft am Laufen halten.

Das behinhaltet, wenn man keinen sinnvollen Inhalt hat und nur für oder von Werbung lebt, User auszuschließen, die nicht funktionieren. Stichwort: Bild vs. Adblocker.

Abgesehen davon sind begleitende Maßnahmen (wo auch immer), so zu justieren, dass sämtliche Ressourcen das Kerngeschäft auf dem Kernkanal stärken und nicht schwächen, weil an der Marke, am Endverbraucher oder am jeweiligen Netzwerk vorbei agiert wird.

Dasselbe Produkt für jüngere Zielgruppen?

Um trotzdem keine Nutzer zu verlieren (bzw. für die Zukunft neue Nutzer hinzu zu gewinnen), haben unter anderem Spiegel Online und Zeit.de mit Bento und ze.tt eigene Jugendableger auf den Onlinemarkt gebracht, die sich an erfolgreichen Blogs orientieren. Wobei grafisch und inhaltlich nicht ganz klar ist, wie diese Jugend definiert ist; irgendwas zwischen vier und vierzig, schätz ich mal.

Im Falle von Bento geht die Orientierung besonders weit. Die Blogrebellen sind als Musikexperten am Start (mit Listen und Webfundstücken). Getauscht wird Reichweite gegen Kredibilität. Die Frage ist, wohin das führt und wem ein solches Engagement am Ende mehr nutzt bzw. schadet?

Fakt ist, eine Daseinsberechtigung – egal ob gedruckt und digitalisiert – hat nur, wer etwas erzählt, weil er wirklich etwas zu sagen hat. Der Rest ist dann bitte Schweigen. Für eine angemessene Art und Weise der Erzählung wiederum, ist ein Miteinander der alten und neuen Welt (siehe unten) zunächst kein schlechter Anfang.

Macht es nicht jünger, macht es besser!

Wie kam ich eigentlich drauf? Ach ja:

Jetzt weiß ich’s. In der Welt der Publikationen erleben wir gerade eine Konsolidierung. Hoffe ich zumindest.