Es ist mal wieder so weit es gibt eine echte Alternative zu Facebook und Co., diesmal ist es die App Beme, die zum Angriff bläst. Mit mobile only Konzept, hoher Einstiegshürde über Invites, niedrigem sozialem Druck ohne Likes/Kommentare und inkl. sofortiger Selbstzerstörung der geteilten Bilder und Videos für den Empfänger. Der inhaltliche Ansatz ist es, das soziale zurück in den Bereich Social Media zu bringen. (Neu ist, glaube ich, nur die Kombination dieser Ansätze.)

Beschrieben wird das von den Machern in einem Vlog und von Daniel Fiene in einem Gastbeitrag für RP Online; hier sind auch die Videos eingebunden.

Dabei soll es in diesem Post gar nicht um die App gehen, auch nicht darum, wie schnell eine neue App aus den Gesprächen, den Köpfen und schließen vom Smartphone wieder verschwindet. Sondern darum warum es gut ist, dass es weiterhin solche Versuche gibt.

Vielfalt und Dynamik waren stets Wunsch und Antriebskraft der Befürworter des – zunächst stationären und später mobilen/semanthischen – Internets. Insofern ist die Wahrheit bitter, mit der hohen Nutzeranzahl, den finanziellen Möglichkeiten, den dazu gehörenden Plattformen und Tools auf die Apple, Google, Facebook und Amazon (AGFA) zurück greifen können, wird es jeder Dienst schwer haben, auch nur ansatzweise konkurrenzfähig zu werden und zu bleiben; also für wen lohnt sich das alles?

1. Macher und Investoren

Natürlich wollen alle das Internet besser machen, die Nutzererfahrung mehr als befriedigen, die soziale Interaktion, die Kreativität, das digitale Leben auf eine neue, nie dagewesene Ebene heben. Aber dafür Zeit und Geld opfern? Da ist doch eigentlich ein Platz an der Wall of Fame das mindeste, oder zur Not eben der gewinnbringende Verkauf von Nutzern, Technologien oder ganzen Firmen an einen der großen Vier.

2. Die großen Vier

Der Vorteil für die Platzhirsche findet auf verschiedenen Ebenen statt, von denen die offensichtlichste noch der Zukauf von Publikum und Know-How ist, doch in Wahrheit sind Neulinge wie Beme die wahren Innovationstreiber in der digitalen Welt (unabhängig davon, wie erfolgreich oder unerfolgreich sie schließlich sind).

Konkurrenz belebt das Geschäft

Egal, wie dominant vor allem Facebook im sozialen, dunkel-sozialen sowie bebildertem Netz agiert, ein im Erfolgsfall immer möglicher Stillstand wird durch neue Player verhindert, sie zeigen Wünsche der Nutzer und Möglichkeiten der Technolgien auf, die bis dahin erstens noch nicht erprobt sind und deshalb zweitens noch keine Berücksichtigung gefunden haben.

Es gibt wenig, was Facebook technisch und menschlich nicht selber bauen könnte, doch mit Hilfe neuer Tools und Dienste wird die Testphase einfach outgesourced (und schließlich bei einer Auswahl von Nutzern ausprobiert). Die so in Angriff genommene Weiterentwicklung sorgt im besten Fall für eine Optimierung der jeweiligen Plattform bezogen auf Features und Design – und damit Aufenthaltsqualität – für die Nutzer und bereitet den Weg für die Entstehung und Weiterentwicklung von Formaten für Publisher und Werbetreibende inkl. Auswertung.

Ohne Twitter keine Hashtags, ohne Netflix kein Amazon Prime, ohne den Erfolg von Spotify, Deezer, Soundcloud kein Apple Music. Und was noch?

Der Trend is your Friend

Anmerkung: das hab ich ja noch nie geschrieben gesehen.

Wenn es ein Network oder eine App in die großen Tech-Blogs schafft, zum großen Thema unter den Social Media-, Digital und Community Heinis Managern wird, ist der Grund meist eine Neuerung in Verbindung mit dem idealen Zeitpunkt, auch wenn der Durchbruch auf sich warten lässt. Ein paar Beispiele:

Die App Path wurde gehyped, nicht weil die Anzahl möglicher Kontakt reduziert wurde, sondern weil sowohl die örtliche als auch die zeitliche Abfolge eines Tages inkl. Bildern, Videos, Songs dokumentiert wurde. Unter den Location Based Services ging Foursquare zunächst als Sieger hervor, doch Facebook und Google konnten technologisch nicht nur aufholen, sondern die Möglichkeiten mit bereits bestehenden und millionenfach genutzten Diensten kombinieren.

Medium revolutionierte das Blogging vor allem durch Einfachheit in Bedienung und Design sowie der Verknüpfung zu ähnlichen Artikeln. Nur sind die wenigsten User gleichzeitig Blogger und noch seltener auf mehreren Plattformen unterwegs. Doch die Optik und Bedienung war für WordPress seit der 4.0 und den zur Verfügung stehenden Themes sowie für eigenständige, berichterstattende Plattformen stilbildend (z.B. Krautreporter). Und auch wenn wir momentan noch weit davon entfernt sind, bin ich mir sicher, dass sich auch die Instant Articles auf Facebook oder die Präsentationsmöglichkeiten auf LinkedIn in diese Richtung bewegen werden.

Das Ello.co auf ein schlankes Design setzt und sich tatsächlich um das Thema Datenschutz mehr als bemüht, ließ zumindest die deutsche Medienlandschaft schriftlich und audiovisuell jauchzen. Dabei wurde übersehen, dass neben der Monetarisierung zunächst auch der mobile Ansatz fehlte. Das ersteres durch T-Shirts kompensiert werden sollte, ist meiner Meinung nach auch nur ein weißes Smiley auf schwarzem Grund wert. Doch auch wenn Ello in Sachen Features erst nach und nach das Niveau und die Möglichkeiten von Facebook erreicht, brachten sie eben Bewegung in das Datenschutz-Thema, das von Snapchat und dem automatischen Löschen der Inhalte weiter forciert wurde.

Content Marketing, Story-Telling … nennt es, wie ihr wollt.

Zurück zur Veröffentlichung von Inhalten und damit zum Neueinsteiger Beme, egal ob privat oder als Unternehmen. Foto- und speziell die Video-Inhalte wurden erst kürzer (Vine, Hyperlapse), dann quadratischer (Instagram) und schließlich nicht nur echtzeitiger (Persicope, Meerkat), sondern wie besprieben erstens kurzzeitiger verfügbar und dann auch noch hochkantiger (Plag**, Snapchat, Beme).

Ist letzteres ein Trend, den Facebook und Youtube verschlafen haben? Müssen sie in ihren Streams und Playlisten überhaupt darauf Rücksicht nehmen, wie ihre Nutzer erstens filmen und zweitens konsumieren? Beide sind weniger von dem Echtzeit-Gedanken getrieben, als Zusammenfassung innerhalb eines Social Graphs oder als Video-Suchmaschine geht der Blick hier eher zurück und befriedigt damit auch auf lange Sicht das Surfverhalten der großen Mehrheit. Das heißt, die Konkurrenz bzgl. Echtzeit und Messaging könnte eher – und mal wieder – zum Problem für Twitter werden.

3. Nutzer und Unternehmen

Da es absehbar weder eine ‚One for All‘-Lösung geben wird noch ein reines Facebook-, Google-, Amazaon-, Apple-Internet, profitieren auch Nutzer und Unternehmen direkt von den nachwachsenden Alternativen zu den Alpha-Diensten, zumindest wenn diese bestehen. Denn sowohl bezogen auf die Inhalte, die Formate, die Sprache und die Technik bleibt ein Platz für die Nischen, in den sich Communities bilden und dauerhaft austauschen. Das daraus ein neues Facebook entsteht, wie es oft eher beschrieen als beschrieben wird, ist erstens unwahrscheinlich und zweitens aus Nutzersicht auch gar nicht so relevant.

Jede neue App, jedes neue Netzwerk kann eine Zielgruppe ansprechen, die sich wohl fühlt. Menschen, die irgendwas mit digitalen Medien machen oder gemeinhin als Early Adaptor oder Kommunikatoren bezeichnet werden, sind auch weiterhin die ersten, die sich dort austoben und damit auch Unternehmen einen Grund geben selbst aktiv zu werden. Eine klar definierte, spitze Zielgruppe anzusprechen, zu beteiligen, mit ihr Dinge auszuprobieren und sie hinterfragen zu lassen, kann sich nicht nur auf das Image und die Bekanntheit positiv auswirken, sondern ist im Zweifelsfall deutlich effizienter als mit Anzeigen auf Google oder Facebook zu werben oder es der sehr heterogenen Zielgruppe auf diesen Plattformen umfassend recht zu machen.

Fazit: Qualität statt Quantität

Die Anwort darauf, ob man sich diesen oder irgendeinen anderen neuen Dienst als Facebook-Alternative oder -Ergänzung anschauen oder sogar selbst darin aktiv werden muss, leitet sich ab von der Frage nach Strategie, Zielen und Ressourcen.