Anfang des Jahres wurden wieder viele Vorurteile über ‚diese Blogger‘ bestätigt. Die digitale Volks- und Echokammer diskutierte vom Elfenbeinturm herab und aneinander vorbei, wie, warum, mit welchem Aufwand und für welche Gegenleistung man zur Tastatur oder zur Kamera greift. Dass hier keine Einigung erzielt werden kann, liegt – zum Glück – an unterschiedlichen Stilen und Zielen, Voraussetzungen und Themen sowie Medien und Möglichkeiten. (Von um sich greifender Buzzfeedisierung und klickgeilen Content Copies mal abgesehen.)

Um meinen Senf ungefragt dazu zugeben: ich schreibe, um zu recherchieren, um am Thema zu bleiben, um mich selbst zu archivieren oder zumindest zu hinterfragen; und das bevorzugt Dienstag abends/nachts. Zum einen weil es aktuell gut in meinen hauptberuflichen und privaten Zeitplan passt, zum anderen weil es mich an Zini mit ihren/seinen (?) Sidekicks Ron, Thomas und Werner aus Spaß am Dienstag erinnert. So viel dazu. Das eigentliche Thema soll ein anderes sein:

Ist Work Life Balance als Begriff noch zeitgemäß?

In der digitalen Welt, den sozialen und manchmal unsozialen Netzen, verschmelzen Arbeit und Freizeit, was nicht nur für Social Media – und Online Marketing Manager gilt. Von professionellen Tools bis zur privaten Prokrastination, von schulischen, studentischen und interessensbasierten Gruppen bis zu beruflichen Netzwerken mit Kollegen und Auftraggebern sowie dem Konsum von Szene- und Branchennews: Unterhaltung, Weiterbildung und Inspiration fließen nicht erst seit gestern digital zusammen.

Das heißt, es ist ebenso schwierig in der Arbeitszeit nur ‚relevante‘ Nachrichten zu empfangen, wie abends oder am Wochenende nur private. Dass das eine auf Arbeitgeberseite häufig verpöhnt, das andere durchaus erwünscht ist, sorgt verständlicher Weise für Verwirrung; Notifications und Mails einzelner Dienste tun das ihrige, um im Gedächtnis zu bleiben und Relevanz oder zumindest Dringlichkeit (für wen oder für was auch immer) vorzugaukeln.

Somit ist der Umgang mit der Informationsflut nicht nur eine Frage der Konzentration, und schon gar nicht von Verboten und Erlaubnissen durch Lehrer, Professoren und Arbeitgeber, sondern eine Frage der Einstellung – und das im doppelten Sinne.

Eine Frage der Einstellung

Wie wichtig können WhatsApp Gruppen Chats oder das neueste Video von _________ (aktuellen Youtube Star einfügen) wirklich sein? Und welche Hinweise über Veröffentlichungen und Interaktionen bedürfen tatsächlich einer sofortigen Mitteilung über alle verfügbaren Devices und Kanäle?

Das erste ist ein persönliche Frage, die zweite schließlich eine technische. Zwar sind Benachrichtigungen in Echtzeit ein wichtiger Marketingkanal für die Betreiber sozialer Netzwerke und deshalb voreingestellt, aber sie lassen sich – auch temporär – reduzieren und sogar abschalten. Der Umgang mit Listen oder Kreisen auf Facebook, Twitter und Google+ erlaubt darüber hinaus einen eingeschränkten, fokussierten Stream wichtiger, professioneller Inhalte.

Doch auch geschäftliche Kontakte und Seiten wollen sich mehr und mehr menschlich profilieren, Persönlichkeit zeigen und Privates preisgeben. Die Trennung von privaten und beruflichen Inhalten verschwimmt also sowohl auf der Empfänger- als auch auf der Absenderseite. Neben dem technischen Aufwand/Verständnis für das Vorsortieren, ist das die zweite Hürde, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Also, Work Life Balance trotz aktiver privater und ebenso aktiver professioneller Nutzung verschiedenster Medien? Natürlich, wenn man die Zeit in den Netzwerken begrenzt – zum Beispiel durch die Konzentration professioneller Kommunikation in dafür vorgesehenen Tools wie Slack –  und sich in öffentlichen Netzwerken eher bei der Interaktion zurückhält als bei der Wahrnehmung und zur Kenntnisnahme, um diese später zu verarbeiten bzw. zu beantworten.

Was ist Work, was ist Life?

In einer Selbstständigkeit und/oder einer Führungsposition in einem – im weitesten Sinne – Familienbetrieb, ist die Trennung schwierig, von einer Balance gar nicht zu reden. Aber kompliziert kann es auch werden, wenn man nicht nur zwischen privat und beruflich, sondern zwischen privat, beruflich, nebenberuflich, projektgesteuert, studentisch und ehrenamtlich balancieren will oder im schlimmeren Fall sogar muss.

Übertragen auf die digitalen Medien bedeutet dies mehr Netzwerke, mehr Kontaktpflege, mehr Marktbeobachtung, mehr Input … ist das mehr Stress oder führt es zu mehr Erfolgserlebnissen?

Kontakte, Netzwerke und digital angeeignetes Wissen und der ständig verfügbare Blick über den Tellerrand können für eine positive Weiterentwicklung der jeweiligen Persönlichkeit oder Karriere sorgen; manchmal inkl. des Mutes, einen gänzlich neuen, eigenen Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. Ein Weg übrigens, der einen erstens an eigene Grenzen führt und zweitens doch ganz woanders endet, als ursprünglich geplant.

Anmerkung des Autors: Ich weiß nicht wovon ich rede, ich bin nämlich noch nicht angekommen.

Doch was bedeutet es im Sinne einer proklamierten Work Life Balance, wenn das Hobby zum Beruf gemacht wurde, wenn man sich selbstständig selbst verwirklichen kann oder auch auf einer Karriereleiter aufsteigend, Ziele wie Anerkennung, Geld, Freiheit in einem zufriedenstellenden Maß erhält? Richtig, ein Definitionsproblem.

Work Life Balance ist ein Missverständnis

Work Life Balance entspricht einer offenbar immer noch existenten Annahme, dass viel und hart zu arbeiten, in Zukunft zu einer entsprechenden Belohnung führen wird. Zwangsläufig wird von den Beteiligten oft übersehen, dass geistige oder körperliche Anstrengung (inkl. dazu gehöriger Erfolgserlebnisse) mit der notwendigen Erholung und Motivation möglichst zeitnah, im besten Fall gegenwärtig zu kompensieren sind.

Denn es ist doch eigentlich offensichtlich, dass man negative Erfahrungen aus der Arbeitszeit eher mit nach Hause nimmt, als privates Glück an verhasste oder höchstens akzeptierte Orte wie Schreibtisch, Werkbank oder Fließband; und damit zerbrechen Ying (Work) und Yang (Life) in dem Konstrukt.

Abgesehen davon, dass unter dieser Betrachtung einer nur scheinbaren Balance Motivation, Teamgefüge und Produktivität nicht nur zu Lasten des Arbeitnehmers sondern auch des Arbeitgebers in den Keller gehen (aber nicht zum Lachen), wird das Ungleichgewicht montags und freitags in den sozialen Netzwerken scheinbar augenzwinkernd angeprangert und auch nur scheinbar weggelacht.

Freitag und Montag sind im Redaktionsplan gesetzt

Es ist eine eigene Meme-Gattung entstanden, die den Freitag und das bevorstehende Wochenende feiert und den Montag als größtes Leid, nach Ebola, Pegida und Justin Bieber identifiziert; gerne im Zusammenhang mit Tieren, Babys, Tierbabys oder betrunkenen Erwachsenen.

tgif.001Zwei Mal die Woche also Bilder, Videos und Textbotschaften, die die Arbeit (und damit den Arbeit- und Geldgeber) verdammen und das Ganze intensiv durchliken, durchfaven, durchherzen lassen. Es entsteht die berühmte sich selbst erfüllende Prophezeihung: Arbeit ist Scheiße! Was sonst so humorlos nur überzeugte Punker skandieren und leben, ist hier das Preisgeben einer inneren Unzufriedenheit und alles andere als ironisch. Leben von Freitag bis Montag und dazwischen arbeiten? Das ist (Achtung: Wortspiel!) wohl eine Low Life Balance.

Dabei ist oft die Rede vom Kampf um Talente, von Fachkräftemangel und von soften Faktoren, die für die Generationen X, Y und Z entscheidend sind: flexible Arbeitszeiten, Home Office, Arbeitnehmer- durch Arbeitnehmerfreundlichkeit. Wäre das flächendeckend wahr, würde es die besagten Posts doch nicht geben, oder?

monday.001Im Sinne der Wahrnehmung im Netz sollten sich Marken und Menschen überlegen, was – je nach Sichtweise – Kunden, Käufer, zukünftige Arbeitnehmer oder Auftraggeber davon halten, dass Arbeiten an sich keinen Spaß macht, weder Montags noch Freitags und schon gar nicht dazwischen … am Dienstag zum Beispiel.

Zini: Es ist nicht einfach. Ich muss das unbedingt weitererzählen. Es ist ja so blöd, dass es schon wieder lustig ist.


Firefox auf Mac hakt? Schlusswort von Zini direkt auf Youtube schauen.

Wie geht ihr mit dem Thema um:

Privates und berufliches Profil parallel, Smartphones aus am Wochenende und im Urlaub oder Benachrichtigungen empfangen, lesen/ignorieren/speichern?
Oder anders: ist Work Life Balance in Digitalien oder Analogia überhaupt ein Thema? Ich bin gespannt.