Das Bashing der Berliner Verkehrsbetriebe (Abkürzung BVG!) gehört in Berlin zum guten Ton und zwar meistens berechtigt.

Abgesehen davon, dass sie seit einiger Zeit mit der Post darum kämpfen, wer schneller die nächste Preiserhöhung bekannt gibt oder dass sie barrierefreie oder zumindest -arme Stadtrundfahrten nicht unbedingt prioritär ausbauen bzw. ermöglichen und von Verspätungen, Verschmutzungen und schließlich un- und unterbesetzten Bahnhöfen ganz zu schweigen … zumindest gehen unfreundliche Busfahrer ja noch als charmant, sogar als touristische Attraktion durch.

Die BVG hat ein Imageproblem und als Antwort darauf eine Imagekampagne, die trotz aller Kritik funktionieren kann: #weilwirdichlieben …

Das ist als Überschrift für den schönsten BVG-Moment natürlich ziemlich dick aufgetragen und sicher nicht das Extrem an innovativer Social Media Nutzung. Und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass wir es hier mit einem kalkulierten Aufreger zu tun haben.

Selbst eine BVG wird doch geahnt haben, was die Hashtag-Generation (speziell die aus Berlin) mit einer solchen Vorlage macht.

Und natürlich darf auch der schlaumeierische Hinweis nicht fehlen, dass ein Kampagnenkanal keinen Servicekanal ersetzt und dass ein Kampagnenkanal sowieso unsinnig, weil ein solcher nur zeitlich beschränkt bespielt wird und das die BVG (oder wer auch immer dahinter steckt) alles, wirklich alles verkehrt macht.

Wirklich alles?

Denn plötzlich gibt es ‚offizielle‘ sowie interagierende und humorvolle Servicekanäle, die zwar schon seit drei Jahren existieren, aber eben nichts mit der BVG zu tun hatten. Spätestens an dieser Stelle bekommt man den Eindruck, dass tatsächlich mehr dahinter steckt, als ein „Wir müssen was mit Twitter machen!“.

Da wagt die BVG trotz aller bekannten und benannten Unzulänglichkeiten im Kerngeschäft eine ganze Menge und potenziert das Risiko zum Kontrollverlust mit einer Kampagne, die … ja Moment, die eigentlich ziemlich gut funktioniert. Zwar explodieren die Followerzahlen (noch) nicht, aber das Unternehmen ist sowohl in aller Social Media Munde als auch auf den Startseiten von Buzzfeed, Spiegel Online und Welt Online.

Bildschirmfoto 2015-01-13 um 17.54.28Dass sich ausgerechnet letzt genannte auf Facebook zu der Formulierung ‚Griff ins Klo‘ hinreißen lassen, zeigt wie sehr dem Springer-Ableger der ‚Erfolg‘ von Fans des gleichgeschaltet-ironischen Journalisten Zirkel zu Kopf gestiegen ist.

Es wurde also nationale Reichweite erzielt, ein Thema gesetzt. Zwar (noch) nicht positiv belegt, aber auf einer Skala von 1 bis 10 liegt das Potenzial, diesen vermeintlichen Fehlstart durch echten Service, echte Nachhaltigkeit zu einer Social Media Erfolgsgeschichte zu machen, bei ca. 100.

Nachhaltigkeit? Kampagnenkanal?

Zumindest der Twitter-Account heißt @BVG_Kampagne (und nicht @weilwirdichlieben), was also weder zeitlich noch inhaltlich beschränkt ist, sondern eine Strategie erkennen lässt, Daily Business und Kampagnen/Aktionen voneinander zu trennen und wenn es passt, zusammen spielen zu lassen.

Tja, und die gegründete Facebook Kampagnenseite? Na ja, sie bleiben am Ball.

Und wenn wir ehrlich sind, war der Schritt der BVG ins soziale Netz doch längst überfällig.