Klar, Plague ist noch etwas buggy und noch nicht aus der Beta herausgewachsen, doch der Dienst aus Litauen (nein, das liegt nicht im Silicon Valley) bringt das gute aus dem sozialen Netz zusammen und schafft es tatsächlich, das schlechte rauszuhalten – mit Hilfe der Community.

Es ist das entweder/oder Prinzip, wie es Tinder groß gemacht hat. Doch mit der Entscheidung, ob ich etwas gut oder schlecht finde, kann die virale Verbreitung stimuliert oder gebremst werden. Zum Start erhalten zunächst vier weitere Nutzer der App die eigenen oder geteilten Inhalte (durch Aktivitäten mit der App steigt diese Zahl an). Ursprünglich waren das die jeweils räumlich am nähesten Plague-User, inzwischen wurde der Algorithmus etwas gelockert; nach Entfernung, nicht nach Inhalt. Ohne Freunde, ohne Abos. Man ist sofort drin.

Es können Medien und Texte, etwas länger als bei Twitter, aber optisch deutlich schöner dargestellt, gepostet werden. Und natürlich gibt es die Memes, die seit Wochen, Monaten, Jahren durch das Netz geistern und Katzenbilder und Naturpanoramen und Selfies und … aber nicht in dem Maße, dass Ideen, Statements, Meinungen, Eindrücke, Erlebnisse anderer Nutzer verdrängt werden (wie es zum Beispiel bei Tumblr und Facebook regelmäßig nervt). Denn die Jury besteht aus den Usern, die den Daumen eben nach oben oder unten swipen, was die Qualität der Posts insgesamt überraschend hochhält.

Dazu kommt, dass das nur 9-Köpfige Team die Postings der Nutzer nicht nur sichtet (was mit Sicherheit jeden Tag schwerer wird), sondern sich in den Kommentaren einbringt, Feature-Wünsche aufnimmt und Hilfestellung gibt, wenn die Community nicht schneller ist.

Die Inhalte, so genannte Karten, kommen nach dem zufallsprinzip und aus allen Teilen der Welt auf’s Handy, können verbreitet und kommentiert werden und verschwinden nach sieben Tagen aus dem Stream.

Doch nicht allein der Konsum oder die steigende Reichweite machen süchtig, die integrierte Karte zeigt den Weg, den eigene Texte oder Bilder möglicherweise rund um die Welt genommen haben.

Hier der Versuch, die App an Hand solcher Textkarten zu erklären:

[iframely]http://www.slideshare.net/keksbox/explaining-the-social-network-plague-with[/iframely]

 

Ein Nachteil der App ist aus deutscher Datenschutzgründlichkeit, die Übermittlung des exakten Standortes nicht nur für die App, sondern für alle Nutzer. Das entspricht natürlich dem ursprünglichen Prinzip der App (Teile Inhalte mit deinen Nächsten) und ist sicher ein Grund für wenig Anstößiges, Unkorrektes, aber durch die angesprochene Lockerung der Weitergabe – und wenn man die Antworten der Entwickler zu dem Thema liest – wird sich da sicher noch was im Sinne der Privatsphäre tun.

Das unglaublich flexible Team und die virale Verbreitung der App, gepaart mit dem bereits integrierten Tracking machen Plague auch für Investoren, Werbetreibende oder auch feindliche Übernahmen spannend, weshalb mit Plague ein Dienst mit echter Chance auf eine etwas nachhaltigere Existenz hat, als die vielen bereits beschrieenen Facebook-Alternativen.

Doch genau das könnte in der Community, die gerade die neuentdeckte Freiheit und Demokratie in einem sozialen Netzwerk feiert, problematisch werden. Es sei denn, die App bleibt in der Gratis-Version so schlank, wie sie ist und verdient ihr Geld mit In-App verkäufen und/oder kostenpflichtigen Unternehmensaccounts, die sich der natürlichen Auslese innerhalb des Dienstes unterordnen müssen.

Das die Macher neue Wege gehen können, haben sie eindrucksvoll bewiesen. Warum sollte Ihnen das nicht auch im Spagat zwischen den Interessen der Nutzer und Geldgeber gelingen?

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Monetarisierungsmöglichkeiten für soziale und digitale Plattformen (12/03/2014)