Der aktuelle Umgang mit Essen und Essensfotos nimmt klassisch und sozial medial wahrscheinlich nicht nur in meinem twitternden, bloggenden und facebookenden Freundeskreis eine immer größere Präsenz ein.

Es geht um vegane, regionale sowie nachhatlige Ernährungstrends und schlichte Angeberei, um technische Entwicklung von Küchengeräten und Foto-Applikationen (unter anderem um besser angeben zu können), um die Auferstehung von urbanen Markthallen und privaten Brauereien und um exklusive Dinnerveranstaltungen sowohl im grellen Rampenlicht als auch in abgedunkelten Hinterhöfen.

Wie kochen und genießen wir morgen? Diese Frage stellt zur Zeit das Social Media Dinner in der Blogparade ‚Essenskultur 2.0 – analoger Käse und digitale Wurst‘. Ein Antwortversuch, vielleicht aus dem Jahr 2020.

Es gibt nur noch drei soziale Netzwerke: Foodle+, Foodbook und Tweater

Foodle+ gehört ebenso wie die Videoplattform YouCook zur weltweit größten Rezeptsuchmaschine Foodle, in so genannten Hangouts kann man nicht nur Köchen bei der Zubereitung von Delikatessen zuschauen, sondern Fern- und Lernkurse zum Thema verfolgen und abonnieren. In den Kreisen (voreingestellt sind die Kategorien Veggie und BBQ) sammelt und teilt man Rezepte und Essens-GIFs.

Weitere Dienste des Weltkonzerns sind Foodle Drive zur kollaborativen Erstellung ausformulierter Rezeptideen und umfangreicher Einkaufslisten sowie Foodle Maps mit Standorten und Routen ausgewählter Restaurants.

Foodbook funktioniert ohne GIFs und Videochat, ähnelt darüber hinaus dem oben genannten Netzwerk. Hauptsächlich genutzt wird es von Hobbyköchen, Profiköche können sich ebenso wie Resaturantbetreiber kostenpflichtige ‚Chefpages‘ mit speziellen Features wie Adressen, Öffnungszeiten, Reservierungen und Bewertungsfunktion einrichten.

Ein Foodbook spezifisches Phänomen entsteht, sobald Fotos und Rezepte der geposteten Mahlzeiten einen zu hohen oder zu niedrigen Fleischanteil besitzen bzw. keine vegane oder tierische Alternative benannt wird. Es entsteht ein Shitstorm; also negative und beleidigende Kommentare, die je nach Zeitzone nur zur Frühstück-, Mittags- und Abendbrotzeit etwas nachlassen.

Trotz technischer (und grafischer) Überlegenheit von Foodle und seinen Diensten ist Foodbook als Netzwerk deutlich erfolgreicher. Neben der hohen Interaktivität ist dies besonders an der Anzahl der Profile zu erkennen, welche die Nutzer für ihre heiß geliebten Küchengeräte angelegt haben.

Der Nischen-Kanal und Kurznachrichtendienst Tweater wird beinahe ausschließlich für die Live-Berichterstattung von kulinarischen Veranstaltungen wie der Genussball-WM und der grünen Revolution genutzt.

‚To Come‘ ist das neue ‚To Go‘

Einer der wenigen ebenso erfolgreichen Unternehmen ist Foodzon, die urspünglich Kochbücher (auch als CDs und DVDs!) verschickte und später mit dem Kindle eat-Reader auch die technische Infrastruktur für eine quasi unerschöpfliche Rezeptsammlung bereit stellte.

Inzwischen gehören auch Lebensmittel und Küchengeräte zum Foodzon Sortiment, das mit Drohnen – im Hipstermund Food Fighter genannt – innerhalb von wenigen Stunden vor die Haustür geliefert wird. Bei den Lebensmitteln wählt man auf der Homepage keine Zutaten sondern auschließlich Rezepte aus, ergänzt diese um die Anzahl sowie die Foodbook-Profile seiner Gäste (um den Appetit abzuschätzen) und bekommt die notwendigen Zutaten samt Anleitung innerhalb weniger Stunden zugeschickt. Gegen Aufpreis liefert Foodzon auch die zubereiteten Menüs zum gewünschten Zeitpunkt.

Gesundheit geht App

Beinahe wurde der Computerhersteller Pineapple (Logo: angebissene Ananas) von den Entwicklungen überflüssig gemacht. Doch kurz vor der Insolvenz wurde in einer viel beachteten Konferenz das erste ‚eatsmartphone‘ präsentiert.

Standardapplikationen zählen Schritte und Kalorien, schlagen Fitnessübungen vor und schockieren den Besitzer mit regelmäßigen Einblendungen wie ‚Essen kann dick machen‘, neben diesem von der EU unterstützen Projekt ging Pinapple eine Kooperation mit Foodbook ein: in dem Spiel Fettkampf werden Punkte für eine gesunde Lebensweise gesammelt. Das hierfür notwendige Tracking verbindet alle eatsmartphone Besitzer auf der ganzen Welt.

Die als Belohnung vergebenen Badges werden auch in den automatisch generierten Einladungen an die Foodbook User hervorgehoben. Das Rennen um den gesündesten Menschen in einer Straße, einer Stadt, einem Land etc. ließ die Kosten für die Gesundheitssysteme nachhaltig sinken.

Essenskultur Von Online zu Offline

In der Bahn und bei ausgewählten Fluglinien kann man zwischen Ecology und Business Lunch wählen. Bei der Akquise von neuen Mitarbeitern stellen Personaler und Headhunter vor allem die Qualität der jeweiligen Kantinen in den Vordergrund. In vielen Ländern hat sich – trotz erheblichen Widerstands durch die Vegetarier – der Mettwoch (engl. meatnessday) durchgesetzt, an dem Imbisse und Restaurants max. ein nicht-tierisches Menü anbieten. Speisekarten existieren nur als Tablets mit nutzer-generierten Bildern der Mahlzeiten.

Sonstige gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen finden nur noch in Ausnahmefällen ohne Kulinarik statt, das Essen wird hierbei der jeweiligen Musikrichtung (Grunchy Nuts) oder Ausstellungsthematik (koscher essen im Jüdischen Museum) angepasst und von am Eingang verteilten Foodle Glasses direkten in den sozialen Netzen veröffentlicht.

Schlusswort:

Aus ‚Du bist, was du isst.‘ (Baguette, Spaghetti, Kartoffel, ein Schwein) wurde ‚Ich esse, also bin ich.‘ (weiterhin: Baguette, Spaghetti, Kartoffel, ein Schwein)
Die biblische Formulierung ‚Teile das Brot.‘ war noch nie so wahr wie heute … äh … morgen.

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