Was für ein Aufschrei! Na ja, zumindest in der digitalen Welt … Worum geht es? Das Arbeitsministerium plant unter dem Motto ‚Lebensleistung belohnen‘ eine Rentenpflicht für Selbstständige. Diese sieht vor, dass die Berufsgruppe staatlich vorsorgen muss (dazu zählen im Übrigen auch Institutionen wie die KSK). Wie die Kontrolle erfolgt bzw. welche Folgen eine Nicht-Beteiligung hat, ist meines Wissens noch offen, ebenso die Handhabe bei so genannten Kleinunternehmern, aber auch gar nicht das eigentliche Problem.

Die Argumentation für die Rentenpflicht ist einleuchtend.

Erstens: „Das verbessert den sozialen Schutz von Selbstständigen und wirkt ihrer möglichen Abhängigkeit von Grundsicherungsleistungen im Alter entgegen.“

(Übersetzung: Es soll die Inanspruchnahme sozialer Leistungen im Rentenalter eingedämmt werden.)

Zweitens: „Bestehende Alterssicherungslücken sollen so geschlossen und die Rechtslage in Deutschland an die im Ausland angepasst werden.“

(Übersetzung: Es soll Geld in die leerer werdende Rentenkasse fließen.)

Richtig, die Deutschland AG kümmert sich mit diesem Gesetz vor allem um sich selbst: weniger ausgeben, mehr einnehmen. Dieses Ziel hätte klar ausgesprochen werden können, denn es ist ist in Anbetracht der Lage nachvollziehbar und überfällig.

Als Problem sehen die Unterzeichner der Gegen-Petition folgende Punkte:

Die Plichtversicherung sei existenzbedrohend für Existenzgründer, immerhin geht es um mehrere hundert Euro im Monat.

In Wahrheit sind Beitragsbefreiungen in der Existenzgründungsphase und Erleichterungen bei Unternehmensgründungen bereits vorgesehen. Darüberhinaus könnte die Einföhrung der Pflichtrente dafür sorgen, dass insbesondere junge Unternehmer von Anfang an Stunden- und Tagessätze aufrufen, die erstens ihrer Leistung und zweitens dem berühmten Markt gerecht werden. Es kann doch nicht sein, dass verantwortsvolle Dienstleister unter den Dumpingpreisen ihrer unbedarften Wettbewerber leiden müssen.

Die Pflichtversicherung sei ein Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung.

Das ist soweit richtig, doch kaum einer der Freigeister wird sich darüber beschweren, finanzielle Unterstützung zu erhalten, wenn Gründungen und Selbstständigkeiten scheitern oder wenn im Rentenalter die Sicherungen im Bereich eines Existenzminimums nicht ausreichen.

Die Pflichtversicherung schließt Altersvorsorgungen abseits privater und öffentlicher Rentensysteme aus.

Erster, aber wichtiger Punkt für die Kritiker. Der Gesetzgeber will verhindern, dass die Altersvorsorge schon vor dem Renteneintrittsalter veräußert wird und die geplante Entlastung schlicht nicht mehr stattfindet.

Hierüber kann und muss man dringend diskutieren, denn wenn der Staat Garantien möchte, soll er sie auch geben. Ich selbst sehe momentan jedoch nicht, dass die jetzt u40jährigen überhaupt noch mit der Auszahlung einer Rente rechnen dürfen. Dass ist schon hart für die Angestellten, die vertrauensvoll Abzüge in Kauf nehmen von Geldern die sie weder in der Hand noch auf dem Konto hatten. Rürup oder Riester? Zu gering die Rendite, zu starr die Ein- bzw. Auszahl-Modifikationen. Das darf nicht die Lösung sein, weil man sich dann ja quasi noch gegen die Absicherung absichern müsste. Bescheuert.

Ich bin jedoch positiv überrascht, dass überhaupt mal etwas in Bezug auf das Rentensystem passiert. Dass immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Nicht-Mehr-Arbeitnehmer finanzieren müssen, war lange vor der Blümschen Formulierung der sicheren Rente kein Geheimnis mehr. Zu niedrig die Geburtenrate, zu hoch die Lebenserwartung.

Doch die Rentenpflicht für ca. drei Millionen Selbstständige ist mehr Placebo als Gegenmittel, weshalb auch ich dagegen bin, obwohl ich weder die Petition unterschrieben habe noch der Facebook Gruppe beigetreten bin. Denn das Problem ist ein anderes: über sieben Millionen Beamte, Parlamentarier, Minister bleiben weiterhin von dem Rentenprinzip ausgeschlossen, zumindest was das Einzahlen betrifft. Das heißt, sie müssen sich weder um ihre Beschäftigung, noch um ihre Altersvorsorge kümmern. Die Gründe, die zu dieser Zweiklassengesellschaft führten, sind längst veraltet und in Anbetracht des Ist-Zustandes auch nicht mehr zu erklären.

Ein paar Fragen dazu:

– Wofür brauchen wir überhaupt Kirchenbeamte? Okay, ich bin Atheist, aber sollten Staat und Kirche nicht getrennt sein?
– Sagt es nicht alles, dass Beamte im öffentlichen Dienst einer Gehorsams- und Informationspflicht unterliegen, aber es keine Leistungspflicht gibt?
– Wieso soll ein Lehrer verbeamtet werden? Dass es auch anders geht, zeigen gut ausgebildete Schüler von motivierten Nicht-Beamten (je nach Bundesland) sowie erfolgreichen Privatschulen.
– Warum muss sich der Steuerzahler indirekt an defizitären Unternehmen, speziell im Bereich des Personenfernverkehrs (Bahn, Flughäfen etc.) beteiligen?
– Wie rechtfertigen ein paar Jahre im Parlament oder einer sonstigen staatstragenden Position Jahrzehnte der Einkommenssicherung (von Wulffschen Verhältnissen mal abgesehen …)? Bezahlt die Leute ruhig gut und sehr gut und meinetwegen besser als bisher, aber bitte für die Zeit in der sie arbeiten und nicht für die Zeit danach.
– Was haben wir (als Menschen und als Staat) eigentlich von zwei verschiedenen Steuersätzen, undurchsichtigen Abschreibungsmöglichkeiten und 30 Kilogramm aktueller Gesetzgebung dazu, also außer einer Beschäftigung für die Steuerberater?

Aber diese Probleme anzugehen, wäre wohl etwas zu viel verlangt von unserer Regierung, mit der ich – das sage nur sicherheitshalber – alles andere als zufrieden bin; trotz und wegen der Rentenpflicht.