Bereits in den 90er Jahren, als Mölln, Hoyerswerda, Rostock und Solingen Schlagzeilen machten, weil desillusionierte und verideologisierte Brandstifter unter dem Applaus ihrer Nachbarn Asylantenheime anzündeten, zeigte sich das Problem im Umgang mit dem rechten Gedankengut – nämlich die Verharmlosung. ‚Es betrifft doch nur ostdeutsche Kleinstädte …‘ – Rostock: klein? Solingen: ostdeutsch?

Diese Verharmlosung war und ist zum einen ein Affront gegen die Opfer solcher Anschläge, denn die Gewalt, die eigentlich nicht zu erklären ist, wird nahezu wertneutral hergeleitet. Zum zweiten war die (falsche) Verallgemeinerung eine Beleidigung für demokratische/rechtsstaatliche und tolerante Menschen zwischen Zinnowitz und Zwickau, die über das nationalsozialistische Problem hinaus, die deutsche Einheit eher behinderte als förderte.

Die Verklärung statt Verhinderung rechtsextremer Taten wurde bis in dieses Jahrtausend weiter geführt. Erst mit dem erfolgslosen Versuch, die NPD im Jahr 2003 zu verbieten und später mit der Schaffung bzw. Ernennung von No-Go-Areas zur Fussballweltmeisterschaft 2006 die Bedeutungen von Macht und Ohnmacht völlig durcheinander zu bringen. ‚Aus den Augen, aus dem Sinn‘ – als politische Marschroute.

Das ist das Kind, was sich die Augen zuhält, um beim Versteckspielen nicht gefunden zu werden.

Das NPD-Verbot scheiterte auch ’nur‘ deshalb, weil der Verfassungsschutz selbst verdeckt in dieser öffentlichen Organisation tätig war, um offiziell Straftaten zu verhindern bzw. Verstöße gegen das Recht zu belegen und zur Anzeige zu bringen. Der Erfolg verhinderter Anschläge, gestoppter Volksverhetzungen und die Prävention von rechter Gewalt lässt sich nur sehr schwer zählen und belegen. Im Gegensatz zu den rechtsterroristischen Straftaten, die deutschlandweit und im Zeitraum von Verbotsdebatte und Sommermärchen unschuldige Mordopfer forderten.

Allein damit hat sich die Präventionsstrategie des Verfassungsschutzes ad absurdum geführt. Die Verdächtigen waren bekannt und die Netzwerke identifiziert. Geholfen hat das nichts, die Zusammenarbeit zwischen Ländern und deren Geheimdiensten verlief stümperhaft bis fahrlässig. Und das in einer Form, die die Frage aufwirft, wer eigentlich wen infiltriert hat: der Verfassungsschutz die rechte Szene oder die rechte Szene den Verfassungsschutz?

Und auch wenn der Staat nicht aktiv in Irrungen und Wirrungen rechter Propaganda verstrickt sein sollte, weil damit die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Demokratie mehr als erschüttert wäre, so ist dies kein Plädoyer für ein Verbot des größten deutschen Zusammenschlusses rechten Gedankenguts (NPD).

Menschenverachtung, Sadismus, Unaufgeklärtheit, Dummheit – oder was auch immer Menschen dazubringt, sich rechts außen zu organisieren und (ver-)führen zu lassen, kann man nicht verbieten. Verbote sorgen für eine weiteren Abkapselung vom rechten Rand einer Gesellschaft und stärken maximal den Zusammenhalt dieser Gruppierung gegen die, die ein Verbot fordern, fördern und goutieren.

Trotzdem und gerade deshalb müssen Verbrecher zur Verantwortung gezogen werden. Rechtsextremes und rechtsterroristisches Verhalten oder der Aufruf dazu, müssen strafrechtlich verfolgt werden können. (Zum Schutz verdeckter Ermittler ist dies tatsächlich nicht immer der Fall.) Zweitens muss die Politik eine aufgeklärte Gesellschaft als Ziel definieren und entsprechend investieren. Dazu zählen Kinder- und Jugendeinrichtingen, Bildungsinitiativen und ein öffentlicher, ehrlicher Diskurs in Bezug auf die realen Herausforderungen.

Und schließlich müssen auch die Medien ihrer Verantwortung gerecht werden. Gezielte Tötungen von Ausländern (und Polizisten) dürfen nicht einer Mafia zugeschrieben werden, nur weil es sich besser verkauft. Terroristische Anschläge dürfen nicht als ‚Döner-Morde‘ verharmlost werden.

Opfer verdienen Respekt und Anteilnahme. Täter verdienen eine gerechte Strafe. Demokratie braucht eine Gesellschaft, die nicht wegguckt und Politiker, die Probleme nicht ignorieren, sondern lösen wollen.