Ich bin kein Fan von Großveranstaltungen mit Massenaufläufen und ich bin kein Fan der Loveparade. Es sind mir zu viele Menschen und es ist nicht meine Musik. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was am Wochenende passiert ist. Mein Mitgefühl gilt uneingeschränkt  den Angehörigen der Toten und Verletzten. Ja, es passieren Katastrophen. Ja, es gibt Momente, in denen man als Veranstalter machtlos den Geschehnissen gegenübersteht. Doch die Fakten die nach und nach an die Öffentlichkeit gelangen, lassen den berechtigten Schluss zu, dass die Katastrophe in Duisburg verhindert hätte werden können.

Warum ich mich so weit aus dem Fenster lehne und mich überhaupt dazu äußere? Ich habe selbst Großveranstaltungen geplant und umgesetzt. Keine mit 250.000 Besuchern und keine mit einer Millionen Ravern. Aber 20.000 Menschen auf einer Party in vier Messehallen, 50.000 Besucher bei einem Umzug auf der Straße des 17. Juni, 70.000 Fussballfans auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg.

Solche Veranstaltungen sind immer eine logistische Herausforderung. Programm, Bühnen, Technik, Toiletten, Gastronomie, Sicherheit, Einlasskontrollen. Werbliche Berücksichtigung von Partnern und Sponsoren, Absprachen mit Beamten, Subunternehmen, Freiberuflern und freiwilligen Helfern. Zusammenarbeit mit Medien, dem ÖPNV, den Sanitätern, der Feuerwehr, der Polizei. Es geht um Anträge und Auflagen von Straßensperren über Fluchtwege und Hygienevorschriften bis zum Lärmschutz.

Entsprechend zeitaufwendig läuft die Vorbereitung über mehrere Monate. Zusammen mit den Beteiligten werden Ideen und Pläne werden ent- und verworfen, abgestimmt und angepasst. Je größer eine Veranstaltung ist, desto entscheidender wird die Sicherheitsfrage.

Und an dieser Stelle ist die Planung und Umsetzung in Duisburg zumindest fragwürdig. Fragwürdig, weil die Veranstalter ein Konzept für eine Fläche eingereicht haben, die für 250.000 Menschen ausgelegt/freigegeben ist, obwohl die Erwartungen bei ca. 1 Mio. Besuchern lagen und dass wiederum, obwohl bei der letzten Loveparade in Essen 1,6 Mio. Menschen gezählt wurden. (Die Verwirrung wurde im Laufe des Tages komplett, als  Besucherzahlen zwischen 400.000 und 1,4 Mio kommuniziert und nach dem Unglück widerrufen wurden.)

Fragwürdig auch, weil Bedenken über das Konzept angemeldet wurden, von der Polizei und von Internetusern. Mit Sicherheit gab es dazu auch zahlreiche Schriftstücke in Form von Vermerken, die Behörden und Beamten zur Abstimmung eingereicht haben. Zum finalen Konzept wird sich auch die Security Firma kritisch geäußert haben. Aber keiner dieser Sicherheitsprofis hatte den Mut, die Runde zu verlassen, um sich wirklich von einer Verantwortung bei einer möglichen Katastrophe loszusagen. (Der Polizeitpräsident von Bochum hatte sich im letzten Jahr durchgesetzt und die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen abgesagt.)

Die Loveparade wurde zum Politikum, die Zeit wurde knapp. Die Veranstalter konnten (oder wollten?) nicht umdisponieren. Der Bürgermeister Sauerland wollte – ob eingeflüstert oder nicht – das Event um jeden Preis. Polizei, Feuerwehr und andere zuständige Behörden wollten nicht widersprechen und die Security sowie die Sanitäter wollten den gewinnbringenden Auftrag.

Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder sie alle haben die Gefahren nicht gesehen. Dann haben sie auf professioneller Ebene versagt. Oder sie kannten die Gefahr und haben sich trotzdem vor den Karren spannen lassen. Auch dann müssen sie alle damit leben, das Unglück in Kauf genommen haben. Egal, welchen Ausgang die Ermittlungen nehmen werden.

Für die Angehörigen der Opfer und für die Überlebenden wird es ein langer und schwieriger Weg bis zu einer offiziellen Entscheidung. Eine Wiedergutmachung speziell nach dem perfiden Auftritt bei dieser unsäglichen Pressekonferenz und den gegenseitigen Schuldzuweisungen kann es dafür nicht geben.