Dass ein Post zur Online Marketing Lounge kommt, war ja klar. Sie wurde immerhin als möglicherweise letzte ihrer Art angekündigt. Thema dieses Beitrags hätte das Klientel (durchmischt), die Location (zentral) oder die Fotowand (witzig) sein können. Aber es kam anders.

Wie es sich gehört, präsentierten und benutzten die Besucher regelmäßig bis durchgehend ihre Smartphones, um Photos zu machen, ihre Mails zu checken und live zu twittern #oml. Mich erreichte inmitten der Veranstaltung eine Nachricht über Xing. Und passend zum Thema des Abends lautete die Frage auf dem Display „was ist twitter und ist es lohnenswert, sich geschäftlich damit zu beschäftigen?“.

Also nahm ich Finger, Kopf und Tastatur zur Hand, um zu versuchen, meine Sicht über dieses twitter darzulegen, ohne auf Hashtags, Retweets, ShortURLs oder APIs einzugehen. Aber das kommt vielleicht noch.

Was ist twitter?

Ursprünglich handelt es sich um eine Mischung aus Blog und SMS innerhalb einer Community, um Freunde, Bekannte und Gleichgesinnte mit Kurznachrichten (genannt Tweets; engl. für zwitschern) von max. 140 Zeichen auf dem Laufenden zu halten. Diese sehr private Ebene und Idee des Netzwerkes wird äußerst verständlich in diesem Video beschrieben:

So weit, so banal, der berechtigterweise größte Kritikpunkt an twitter. Wer sich wo befindet, wann Kaffee trinkt und wen doof, gut oder gar nicht findet, ist selten von öffentlichem Interesse. Zu mal diese Art der Belästigung sowieso allgegenwärtig ist und gerade im ÖPNV unschöne bis lautstarke Ausmaße angenommen hat.

Laut den Webevangalisten (Danke an Jan) gibt es zurzeit 27.000 deutschsprachige aktive Twitterer, also deutlicher weniger als U-Bahntelefonierer, aber eben geballt, nur wenige Klicks voneinander entfernt und mit steigender Tendenz.

Bevor man aufgrund dessen die Plattform verteufelt, sollte man festhalten, dass – im Gegensatz zur Bahn – niemand gezwungen wird, mitzulesen oder sich überhaupt anzumelden. Ein Hauptcharakter des Web 2.0 ist eben die Freiheit der User. (Der angenehme Unterschied zu anderen Plattformen ist übrigens, dass man bei twitter nicht mit Werbung, aufdringlichen Usern und dämlichen Umfragen belästigt wird.)

Wo ist der Mehrwert?

Die benannte private Ebene mal ausgeschlossen, ist twitter, was Informationsbereitstellung und Informationsbeschaffung betrifft, ein angenehmes und unkompliziertes Werkzeug. Ohne Zeitverzögerung und in kurzen, prägnanten Mitteilungen kann Interessantes, Lehrreiches oder auch Überraschendes gesucht und gefunden werden. Die Dialogfunktion nutzt den von anderen Internetplattformen bekannten Community-Gedanken zum Networking.

Informationsaustausch sowie Pflege und Ausbau des Netzwerkes ist aber nur eine Stärke von twitter im Businessbereich. Cisco und Google informieren über Produktinnovationen, die öffentlich-rechtlichen Internetgurus Sixtus und Lobo über Neuigkeiten am Markt und eigene Veröffentlichungen, Obama und Schäfer-Gümbel (entschuldigt den Vergleich) über ihren Wahlkampf und die großen Nachrichtenportale von Spiegelonline bis Tagesschau nutzen das System, um auf Berichte und Eilmeldungen auf den eigenen Sites hinzuweisen. Auch Veranstaltungen, schwerpunktmäßig Messen und Barcamps, berichten zusammen mit Besuchern über Vorbereitung, Ablauf und Highlights.

Weniger gute Beispieleunter den deutschsprachigen Twitteren ist zum einen die höchstrenommierte Werbeagentur Scholz und Friends, die versuchen up-to-date zu sein, aber leider erfolglos versuchen Twittersprech zu beherrschen. Die Nachrichten folgen keinem Weg, keinem Ziel und sind – aus meiner bescheidenen Sicht heraus – belanglos für Kunden und Partner. Zum anderen TV Total, die in ihren Tweets auf die vergangene (!) Sendung hinweisen und blind auf ihre Homepage verweisen, also an der Sprache und den Möglichkeiten der Plattform vorbei agieren. Harald Schmidt ist da – wenn auch ungewollt – besser aufgestellt. Ein Fake übernimmt das Sprücheklopfen und die Vorabankündigungen für die Shows.

Man muss übrigens nicht Markt- oder Meinungsführer sein, um von den Möglichkeiten auf twitter.com zu profitieren. Es gibt kein Mindestinteresse oder gar eine Mindestrelevanz. Wenn es zwei oder 2.000 interessierte Menschen im Twitteruniversum gibt, berechtigt die Handhabbarkeit und Kostenneutralität zur Nutzung und damit zur Befriedigung bzw. zum Ausbau der Zielgruppe.

Neben verschiedenen, auch weniger bekannten Bands (aus Sympathiegründen seien berge und Samavayo) genannt, nutzen auch kleinere Hersteller und Dienstleister, wie sofatutor, textguerilla und natürlich die [ *] keksbox das Medium, um nah an der tatsächlichen oder potenziellen Zielgruppe zu sein. Dabei spielt es noch nicht einmal die entscheidende Rolle Werbebotschaften abzusondern. Im Gegenteil, klassische Werbung wirkt für die Community eher abschreckend.

Die Kurzmitteilungen an den Äther sollten daher vor allem genutzt werden, um einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren und so das Image zu stärken. In dem auch auf persönliche Interessen oder Weiterempfehlungen Bezug genommen wird, kann das eigene Profil schärfen und sich vom Wettbewerb abheben.

Dies ist interessant, da Produkte und Dienstleistung im globalen Markt und in Bezug auf Qualität, Preis und Verfügbarkeit immer schwerer zu unterscheiden sind. Das Image des Portfolios und der Menschen dahinter kann zum entscheidenden Alleinstellungsmerkmal werden. Somit bietet twitter eine hervorragende Möglichkeit, auf lockere und prägnante Weise Referenzen zu benennen oder auf andere genutzte Kanäle, wie Blog, Homepage oder Veranstaltungen hinzuweisen bzw. zu verlinken.

Wie so vieles im Internet beruht auch der Erfolg bzw. Nutzen eines Twitteraccounts auf den drei Säulen Glaubwürdigkeit, Aktualität und Relevanz. Bricht eine oder mehrere dieser Säulen weg, verkehren sich die Vorteile, die für digitale Reputation und Branding (auch im Sinne der Suchmaschinenoptimierung) bzw. Networking und Kompetenz-Renomeé bestehen können, inNachteile, die bei dem guten Gedächtnis des Web nur schwer zu reparieren sind.

Um abschließend und zusammenfassend auf die Frage zurückzukommen, die diesem Beitrag zu Grunde liegt: Richtig genutzt, bietet twitter interessante Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung und der Netzwerkpflege und kann darüber hinaus ein wichtiger Baustein des Marketings sein, um Profile zu schärfen, Images zu stärken und den Präsentations- und möglicherweise auch Vertriebskanal Internet effizienter zu nutzen.

P.S. Ich werde verstärkt an meiner Twitterperformance arbeiten (müssen).